Videokamera vs. Spiegelreflexkamera – Wer ist der bessere filmische Begleiter?
Es ist keine große Neuigkeit, dass man mittlerweile mit nahezu jedem digitalen Fotoapparat auch filmen kann. Allen voran digitale Spiegelreflexkameras (DSLRs) werden immer wieder – auch durchaus professionell – für die Videoproduktion eingesetzt. Solltest du Fan von Dr. House sein, dann empfehle ich dir, den Gang an dein DVD-Regal zu unternehmen und einen Blick in die letzte Folge („Hilf mir!“) der 6. Staffel zu werfen. Diese wurde komplett mit der Canon 5D Mark II gedreht. Ja, mit einem Fotoapparat.
Jetzt könntest du dir zu Recht die Frage stellen, warum es dann überhaupt noch Videokameras gibt, wenn doch eine DSLR tolle Fotos schießt und obendrein noch super Videomaterial liefert. Nun, die Antwort ist wie immer nicht so einfach und bedarf einiger Zeilen der Erklärung. In meinem Beitrag werde ich daher die Vorteile und Nachteile beider Lösungen gegeneinander abwägen und euch entsprechende Empfehlungen geben. Dabei beziehe ich mich auf Kameras mit einem Anschaffungswert bis etwa 1.000 €.
Die Haptik
Hier ist die Videokamera dem Fotoapparat deutlich überlegen. Egal ob der kleine Camcorder aus dem Elektromarkt um die Ecke oder Profi-Equipment – schon allein die Bauweise einer DSLR ist für filmische Zwecke eher suboptimal. Das Hauptaugenmerk der Entwickler einer Spiegelreflexkamera liegt ganz klar auf der Fotografie. Zwar integrieren die namenhaften Hersteller immer mehr Funktionen für den filmischen Zweck, jedoch ändert dies nichts an der baulichen Form eines Fotoapparates.
Das Handling
Das stabilisierte Führen einer Spiegelreflexkamera bedarf sehr viel Übung und eigentlich auch weiteren Equipments. Einen filmenden Fotoapparat aus der Hand heraus ruhig bedienen zu können, ist nahezu unmöglich. Hier empfiehlt sich der Zukauf eines Stativs oder, für den mobilen Einsatz, eines sogenannten Schulterstativs bzw. Schulter-Stütz-Sets– auch Rig genannt. Letzteres verlagert einen Großteil des Kameragewichts auf die Schulter und ermöglicht es dir, dich auf das Motiv und eine ruhigere Kameraführung zu konzentrieren. Videokameras haben zu diesem Zweck meist einen Bildstabilisator integriert, welcher leider nicht in jedem Fotoapparat oder Objektiv vorzufinden ist.
Das Fokussieren
Ein großer Nachteil von Spiegelreflexkameras ist der vergleichsweise schlechte automatische Fokus. Selbst mit einem guten Objektiv wirst du hier immer wieder das sogenannte „Pumpen“ erleben, bei dem die Kamera den Schärfepunkt sucht, diesen oftmals nicht findet oder während der Aufnahme einfach auf etwas anderes im Blickfeld fokussiert. Das Verfolgen eines Motivs, welches sich bewegt, ist im automatischen Modus für eine DSLR sogar nahezu unmöglich. Es empfiehlt sich also, die Schärfe einer Spiegelreflexkamera manuell zu regeln. Was passiert aber, wenn du während einer Aufnahme an das Objektiv greifst? Richtig, das Bild verwackelt. Konsequenz: Um optimale Bilder produzieren zu können, musst du leider abermals ins Portemonnaie greifen. Solltest du schon ein Schulterrig besitzen, dann gilt es spätestens jetzt über die Anschaffung einer Schärfeziehvorrichtung nachzudenken. Dieser sogenannte Follow-Focus wird am Rig und am Objektiv montiert. Er bietet die Möglichkeit, mit einer Hand flüssig und motivverfolgend die Schärfe zu ziehen. Hier gilt ebenfalls: Übung macht den Meister.
Die Bildqualität
In meinen Augen ist die DSLR hier der ganz klare Sieger. Spiegelreflexkameras bieten durch ihren großen Bildsensor und den flexiblen Einsatz von Objektiven einen deutlichen Vorteil gegenüber Videokameras aus dem Consumer-Bereich. Mit der richtigen Optik (Objektiv) erlaubt es dir eine Fotokamera, sehr gute und nahezu rauschfreie Aufnahmen bei wenig Licht zu machen. Auch in puncto Schärfe ist die DSLR sehr oft überlegen. Wenn du sogar planst, kleine Kurzfilme mit deinem Equipment zu drehen, dann wartet hier die Spiegelreflexkamera mit einem weiteren und wichtigen Bonus auf. Gerne greift man in diesem Genre auf den sogenannten Filmlook zurück. Dies bedeutet, dass das fokussierte Motiv scharf ist, der Hintergrund in einer Unschärfe verschwindet und dem Videobild somit ein deutlich wertigeres Aussehen verliehen wird. Videokameras sind dazu meist, durch den zu kleinen Bildsensor und die zu lichtschwache Optik, nicht in der Lage.
Der Ton
Die Qualität der Tonaufnahme einer Kamera wird bei der Kaufentscheidung oft vernachlässigt – oder ganz und gar vergessen. Allerdings spielt die Tonqualität bei der Videoaufzeichnung logischerweise eine maßgebliche Rolle. Hier haben in der Regel normale Videokameras die Nase vorn. Oft zeichnen Spiegelreflexkameras im unteren und mittleren Preissegment eher in mittelmäßiger Tonqualität, mitunter sogar nur in mono auf. Solltest du so ein Gerät dein eigen nennen, dann bietet sich hier die Anschaffung eines Aufsteckmikrofons an. Dieses wird auf dem Blitzschuh (Vorrichtung für Zubehör) der Kamera montiert und über den nötigen Audioeingang mit der Kamera verbunden, und es sorgt für eine deutliche Verbesserung der Audioaufnahmen. Sollte deine Kamera solch einen Eingang vermissen lassen, dann bleibt dir leider nur die Option, den Ton über ein externes Gerät aufzuzeichnen, also zum Beispiel mit einem Fieldrecorder, und Video und Ton nachträglich am Rechner zu synchronisieren.
Die Nachbearbeitung
Wenn ein einigermaßen aktueller Rechner deinen Schreibtisch schmückt, dann musst du hier keinerlei Bedenken haben. Sowohl die Videokamera als auch die DSLR zeichnen heutzutage in Full HD auf und erfordern für eine optimale Bearbeitung eine gewisse Rechenleistung. Für den normalen Schnitt tut es aber auch ein Laptop der Mittelklasse. Wer gerne mit Effekten arbeitet und sein Bild nachträglich mit einer Farbkorrektur versieht, der sollte aber schon etwas mehr Power unter der Rechnerhaube haben. Ein kleiner Vorteil der DSLR ist es, dass sie oftmals mit einer höheren Datenrate aufzeichnet und in der Nachbearbeitung, so zum Beispiel beim Anheben der Helligkeit, noch etwas mehr Spielraum bietet. Hier auf Zielbar findest du einige Tipps zu kostenloser Schnittsoftware.
Die Kosten
Wenn du aufmerksam gelesen hast, dann sollte dir nun klar sein, dass es mit dem bloßen Kauf einer Spiegelreflexkamera eigentlich nicht getan ist. Es bleibt leider nicht aus, sich weiteres Equipment für das gewünschte Videoergebnis zuzulegen. Zu dem Erwerb einer DSLR für 600 Euro gesellen sich somit oftmals Kosten für weitere Objektive, ein Stativ, das Schulterrig oder ein ordentliches Mikro. Schnell summieren sich die Ausgaben dann auf 2.000–2.500 Euro. Für diesen Preis bekommt man selbstredend auch eine sehr gute Videokamera mit ähnlichen Spezifikationen. Hier entscheidet dann letztendlich: Was will ich filmen?
Was will ich filmen?
Absolut kaufentscheidend ist für mich, neben den Finanzen, die Frage, was ich eigentlich mit der Kamera machen möchte. Meine Empfehlung dafür lautet wie folgt: Möchtest du Live-Mitschnitte von Tagungen inklusive einer guten Audioaufnahme per Bewegtbild festhalten oder für deinen Blog kurze Interviews realisieren, dann bist du mit einer Videokamera hervorragend bedient. Möchtest du aber weiter in den Bereich Video vorstoßen, überwiegend bei eher schlechten Lichtverhältnissen filmen oder dich gar am szenischen Aufnehmen von Kurzfilmen versuchen und deinen Bildern den beliebten Hollywood-Look verleihen, dann wäre mein Tipp, sich für eine Spiegelreflexkamera zu entscheiden.
Vorteile & Nachteile Spiegelreflexkamera (DSLR)
+ Gute Bildqualität bei wenig Licht
+ Flexibler Einsatz durch Wechselobjektiv
+ Kinolook (Tiefenunschärfe)
– Teures Zusatzequipment nötig
– Handhabung bedarf sehr viel Übung
Vorteile & Nachteile Videokamera
+ Einfaches Handling
+ Gute Audioaufnahme
+ Meist Bildstabilisatoren verbaut
– Bildrauschen bei wenig Licht
– Unflexibel durch fest verbaute Optik
Eines bleibt bei all dem jedoch unstrittig: Wenn du für dein Business auf hochwertige Ergebnisse angewiesen bist, empfehle ich dir für Bereiche wie die klassische Videoproduktion rund um Produkt- oder Imagefilme nach wie vor, dich nicht nur im Zweifelsfall lieber an einen Fachmann zu wenden.
Guten Tag Herr Thielicke,
eines haben Sie hier aber vergessen, nämlich die Funktionen der neuesten Smartphones.
Die haben mittlerweile sehr gute Auflösungen und Tonqualität.
Ich bin im Besitz eine Huawei P8 dieses bietet die Funktion Regisseur – Modus, wodurch man mehrere Blickwinkel aufnehmen kann.
Vorausgesetzt die zweite Person hat ebenfalls ein Huawei Smartphone.
Eine entsprechende Nachbearbeitung ist gegebenen falls nötig. Aber es ist vollkommen ausreichend
für Präsentations Videos und Vorstellungen.
Die Technik in den Smartphones geht mittlerweile sehr weit im Bereich der Fotographie und ersetzen so langsam die teuren Geräte. Auch gibt es mittlerweile Aufsatz Objektive die die Bildqualität noch mal verbessern.
Das ist für mich kein Wunder, denn die Funktionen der Smartphones werden immer erweitert, die normalen Funktionen (Telefonieren, SmS und Internetverbindung) sind ausgereizt. Also was bleibt den Herstellern noch übrig um Marktanteile zu gewinnen? Da bleibt nur noch die Kamerafunktion übrig mit allem was dazu gehört.
Wenn man mal auf YouTube schaut sind viele Videos mit einem Smartphone gemacht worden.
Es ist längst nicht mehr wie in den 70’er Jahren wo jede Familie für Erinnerungen einen Fotoapparat benötigt.
Auf Ihre Antwort bin ich schon gespannt.
Mit freundlichen Grüßen
K. König
Herzlichen Dank Herr König.
Sie haben vollkommen Recht, dass die Videofunktion von Smartphones in den letzten Jahren einer deutlichen Verbesserung unterlegen haben. Dies war aber in meinem Artikel nicht das Thema. Eine Videokamera hat nach wie vor eine Berechtigung in ihrem Dasein und bietet deutliche Vorteile einem Handy gegenüber auf.
Liebe Grüße
Stefan
Super Beitrag ich danke dir. Habe ihn auf google entdeckt.
Vielen Dank für die Blumen. Es freut immer, wenn man helfen kann. Viel Spaß und Erfolg beim Filmen!
Hallo! Guter Artikel, vielen Dank dafür!
Ich mache Kurzfilme und bin gerade am Überlegen, ob ich mir einen Camcorder oder doch eine Spiegelreflex anschaffen soll. Bisher habe ich nur mit Camcordern gedreht und bin mit den vielen Optionen der Spiegelreflex oft überfordert, zumindest beim Fotografieren hatte ich da immer meine Probleme. Auch die Handhabung ist für Hobby-Filmer bei Camcordern deutlicher einfacher. Aber ich denke beim Punkt Bildqualität ist die DSLR die bessere Wahl… Also keine leichte Entscheidung…
Hallo Herr Thielicke, toller Artikel, ich arbeite viel mit DSLR und wollte fragen ob man 3 DSLR zu 3 Studiokameras umfunktionieren bzw. über einen Videomischer zusammen bedienen kann für ein IP TV Studio? Gibt es evt. eine Empfehlung bezgl. Studioequipment?
Vielen Dank im Voraus,
H. Baer
Wie Sie anführen, kann man Spiegelreflexkameras auch zur Aufnahme von qualitativ hochwertigen Filmen nutzen. Ich frage mich derzeit auch, inwiefern sich ein Video mit einer hochwertigen Spiegelreflexkamera von einer Videokamera unterscheiden kann. Das zusätzliche Equipment für die Spiegelreflex um stabil führen zu können sollte dabei auch berücksichtigt werden. Ich denke, dass ich mich in einem Elektromarkt von einem Fachmann dazu beraten lassen werde. Vielen Dank für Ihren Beitrag!