Green Marketing: Die Entdeckung der Nachhaltigkeit

Green Marketing: Die Entdeckung der Nachhaltigkeit

Wie kaum ein anderes Thema bestimmt Nachhaltigkeit seit Jahren die Debatten zwischen individueller Lebensführung und gesamtgesellschaftlicher Verantwortung. Marketingstrategien von Unternehmen müssen daher einerseits das wachsende Nachhaltigkeitsbewusstsein der Verbraucher aufgreifen und andererseits glaubhaft die konzerneigenen Anstrengungen rund um dieses Thema nach außen tragen. Für den langfristigen Erfolg wird authentisches Green Marketing zunehmend zur Notwendigkeit.

Die Entdeckung der Nachhaltigkeit

Bei Kunden wächst das Bewusstsein für die Auswirkungen des eigenen Konsums und damit die Zahl derer, die selbst bei alltäglichen Kaufentscheidungen genauer hinsehen. Produktionsbedingungen werden dabei mehr und mehr hinterfragt, Nachhaltigkeit wird für eine immer größere Zahl an Menschen ein relevanter Faktor beim Einkauf.

Das gilt vor allem beim Kauf von Lebensmitteln, allerdings sind nachhaltige Produkte unter deutschen Verbrauchern gerade generell voll im Trend. Allerdings mit teils deutlichen Unterschieden, vergleicht man die Branchen miteinander. Bei manchen Produkten ist das Thema Nachhaltigkeit dann doch offenkundiger, bei größeren Anschaffungen – etwa von Elektrogeräten – sind meist noch Marke und Preis die ausschlaggebenden Kriterien.

Für die Ausrichtung von Unternehmensphilosophie und Marketing macht das gleichwohl keinen nennenswerten Unterschied: Wer seine (potenzielle) Zielgruppe erreichen will, kommt um die Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit schon heute nicht mehr herum.

Zwischen Purpose und Green Washing

Die Schwierigkeit besteht darin, den Wirtschaftsfaktor Nachhaltigkeit glaubhaft als gelebten Wert des Unternehmens darzustellen. Dabei reicht es allerdings keineswegs aus, den Corporate Purpose nur möglichst öffentlichkeitswirksam über die gängigen Kommunikationskanäle zu vermitteln – grünes Marketing funktioniert nur, wenn die Thematik ein fester Bestandteil der Identität eines Unternehmens ist.

Ansonsten ist der berechtigte Vorwurf des Green Washing nicht weit. Wer Nachhaltigkeit nicht als ganzheitliches Konzept begreift und stattdessen als bloßes Label für seine Dienstleistungen und Produkte verwendet, kann damit langfristig nicht auf wirtschaftlichen Erfolg hoffen. Auf der einen Seite bringt dieses Vorgehen die Kunden – bestehende wie potenzielle – dazu, sich nach wirklich nachhaltig arbeitenden Wettbewerbern umzusehen. Auf der anderen Seite verstellen sich Unternehmen durch einen allzu oberflächlichen Ansatz bei der Nachhaltigkeit auch intern den Möglichkeiten, wirtschaftlicher zu agieren. Immerhin bedeutet die ernsthafte Anwendung nachhaltiger Prinzipien erhebliche Einsparungen durch den geringeren Verbrauch von Ressourcen.

Vorreiterrolle beim Thema Nachhaltigkeit

Eine der größten Schwierigkeiten besteht jedoch weiterhin darin, die notwendigen Transformationsprozesse anzustoßen, die es braucht, um ein nachhaltiges Unternehmen zu schaffen – das gilt in gleicher Weise für die Kundenseite. Ohne Frage dauert es seine Zeit, um alte Verhaltensmuster aufzubrechen, im Kleinen wie im Großen.

Daraus ergibt sich für Unternehmen jedoch die Chance, nicht erst auf Wünsche und Bedürfnisse der Kunden einzugehen, sondern aktiv das Thema Nachhaltigkeit und nachhaltiger Konsum zu gestalten. Die Erwartungshaltung und das Bewusstsein sind ohnehin vorhanden, Unternehmen finden also beste Voraussetzungen für eigene Akzente innerhalb des großen Trends.

Auf diese Weise kann gleichzeitig das eigene Profil geschärft und im Wettbewerb mit der Konkurrenz ein entscheidender Vorteil erreicht werden. Denn trotz der wachsenden Bedeutung gibt es in puncto Nachhaltigkeit branchenübergreifend immer noch Nachholbedarf – und das, obwohl auch große DAX-Unternehmen schon seit Jahren zeigen, dass Profitorientierung und Nachhaltigkeit absolut miteinander vereinbar sind.

Erfolgreiche Nachhaltigkeitsstrategien

Bleibt die Frage, wie sich diese Kombination im Marketingbereich überzeugend abbilden lässt. Ein offensichtlich positives Beispiel hierfür ist Katjes. Das Familienunternehmen hat schon früh auf Natürlichkeit gesetzt, die Zuckerwaren enthalten weder künstliche Aromen oder Farben und seit nunmehr drei Jahren auch keine tierische Gelatine mehr.

Das Thema Vegetarismus ist für den Süßwarenhersteller zum Aushängeschild geworden, Katjes bedient sich damit eines wichtigen Trends innerhalb der Nachhaltigkeitsdebatte – und das konsequent. Folgerichtig wurde das Unternehmen in diesem Jahr mit dem Deutschen Marketing Preis ausgezeichnet.

Ob es für den Ingolstädter Autohersteller Audi dazu reichen wird, wird sich noch zeigen. Fakt ist allerdings: Pünktlich zum Weihnachtsgeschäft 2019 sollte mit einer neuen Werbekampagne aufgezeigt werden, dass selbst die kritisch beäugte Automobilbranche in der Lage ist, das Thema Nachhaltigkeit glaubhaft zu besetzen.

Anders als bei Katjes sind die Voraussetzungen in Folge des Dieselskandals und anhaltender Diskussionen um den Anteil des motorisierten Individualverkehrs an Klimaproblemen ungleich schwerer. Die Marketingkampagne zielt daher nicht nur darauf ab, neue Kunden zu gewinnen, sondern die Aufmerksamkeit außerdem auf die eigenen Bemühungen um Nachhaltigkeit zu lenken.

Auch unter den nachhaltigsten Unternehmen Deutschlands, die alljährlich mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis gewürdigt werden, finden sich bekannte Namen und renommierte Firmen. Unter den Großunternehmen sind beispielsweise die Fischerwerke, Kärcher und die Grohe AG. Insgesamt beweisen die ausgezeichneten Unternehmen – ob groß oder klein –, wie weitreichend Nachhaltigkeitsstrategien sein können.

Branchenübergreifendes Umdenken

Generell bestätigt das breite Spektrum an Branchen, die zu den Gewinnern beim diesjährigen Deutschen Nachhaltigkeitspreis zählen, dass die Thematik nahezu überall angenommen wird. Allein die Erfolge fallen sehr unterschiedlich aus.

Green Investments in der Finanzbranche

So steigt die Beliebtheit nachhaltiger Investitionen an den Finanzmärkten spürbar. Nachhaltigkeit ist auch bei Finanzprodukten und Anlagemöglichkeiten ein bestimmender Faktor geworden, die Investoren folgen hierbei gewissermaßen den allgemeinen Entwicklungen. Depots, in denen Firmen enthalten sind, die ihr Geld mit Waffen, Atomkraft, fossilen Brennstoffen oder Ähnlichem verdienen, verlieren dadurch an Attraktivität.

Im Marketingbereich allerdings haben die Green Investments noch deutlichen Nachholbedarf, zumindest im Hinblick auf private Anleger: Die wissen vielfach nichts mit dem Begriff anzufangen – was nicht allein der allgemeinen Zurückhaltung deutscher Anleger in Bezug auf Aktien oder ähnliche Finanzprodukte geschuldet ist.

Modebranche mit Lichtblicken

Nachhaltige Marketingstrategien spielen daneben in einer anderen großen Branche eine wichtige Rolle: Die Modeindustrie steht seit langem in der Kritik, aus verschiedenen Gründen. Zentral ist unter anderem das Thema Produktionsbedingungen, insbesondere, was die Verhältnisse anbelangt, in denen die Beschäftigten Kleidung, Schuhe und Accessoires herstellen müssen.

Dazu ist auch der Umgang mit Ressourcen nicht selten stark verbesserungswürdig, etwa im Hinblick auf den Einsatz umweltbelastender Chemikalien. Als Vorreiter im Bemühen um nachhaltige Produkte und Produktion gilt der Outdoor-Hersteller Patagonia, dessen gesamte Firmenphilosophie um Werte aufgebaut ist – das funktioniert sogar weitgehend ohne klassische Werbemaßnahmen.

Mittlerweile ist aber selbst in der Modebranche eine Trendwende erkennbar: Gerade renommierte Marken, die den Lifestyle junger – und nicht mehr ganz so junger – Menschen mitbestimmen, setzen verstärkt auf Nachhaltigkeit. Der kalifornische Sneaker-Hersteller Vans nimmt, wie einige andere Global Player auf diesem Sektor, die eigene Verantwortung durchaus ernst und will daher seinen eigenen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten: Ökostrom, weniger CO2-Emissionen und eine Verringerung des Müllaufkommens gehören daher zu den Maßnahmen, die am Standort der Marke bereits umgesetzt wurden.

Nachhaltigkeit im Lebensmitteleinzelhandel

Lifestyle-Produkte und Nachhaltigkeit finden so ohne Widersprüche zusammen. Wie das auch mit weniger stylischen, dafür alltäglichen Produkten funktionieren kann, beweist der Lebensmitteleinzelhändler Edeka seit geraumer Zeit. Während in den Regalen der Supermärkte – in denen ansonsten verschiedenste Maßnahmen umgesetzt sind – dazu unter anderem vermehrt Lebensmittel aus nachhaltiger Produktion unterkommen, ist das Thema Nachhaltigkeit im Marketing-Bereich häufig in anderer Form präsent.

So besteht zwischen Edeka und dem WWF inzwischen seit zehn Jahren eine feste Partnerschaft. Aus der gehen wiederkehrend Aktionen hervor, die sich beispielsweise schon an die Jüngsten wenden und somit von klein auf für Natur, Umwelt und Nachhaltigkeit sensibilisieren. Gleichzeitig binden solche Maßnahmen auch gleich die Kunden.

Werte als verbindendes Element

Funktionieren können nachhaltige Unternehmens- und Marketingstrategien aber nur, wenn die transportierten Werte von den Verbrauchern als glaubwürdig empfunden werden. Das bedeutet letztendlich aber, dass etwa ein wertorientiertes Online-Marketing ebenfalls nach Nachhaltigkeitsmaßstäben umgestaltet und neu gedacht werden muss.

Aufmerksamkeit um jeden Preis ist hierfür kaum der richtige Ansatz, vielmehr sind Transparenz und Offenheit gefragt. Nicht nur bei der Präsentation des eigenen Angebots, sondern gerade im Umgang mit den Kunden. Der muss deutlich stärker in Marketingmaßnahmen einbezogen werden und sollte nicht mehr als bloßer Empfänger der eigenen Botschaften verstanden werden. Nur so kann nachhaltiges Marketing auf allen Ebenen Erfolg haben.

Nachhaltigkeit – auch für kleinere Unternehmen

Das Thema Nachhaltigkeit und Marketing betrifft natürlich nicht nur die Global Player, die in der Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit bekommen. Selbst in Kleinen Mittelständischen Unternehmen (KMU) gibt es mehr als genug Gründe, unternehmerische Nachhaltigkeit in eine eigene Strategie umzusetzen und diese nach außen zu kommunizieren – und zwar dieselben, die auch für Großkonzerne gelten.

Das betrifft neben den Möglichkeiten, unternehmensinterne Prozesse zu verbessern und langfristig Kosten einzusparen, genauso die Außenwirkung und das Image von KMU. Häufig spielt hierbei die lokale bzw. regionale Verwurzelung eine wichtige Rolle: Eine gute Beziehung zur hiesigen Gemeinschaft und ein authentisches Auftreten ist grundlegend für die Akzeptanz.

Überregional tragen eine konsequente Nachhaltigkeitsstrategie und die daraus resultierenden Imageverbesserungen auch zum Erfolg bei der Mitarbeitersuche bei. Im Ringen um Fachkräfte können sich KMU so deutlich besser gegenüber großen Firmen positionieren.

Umgekehrt ist eine Nachhaltigkeitsstrategie gerade für geschäftliche Beziehungen, vor allem für KMU, die als Zulieferer fungieren, unerlässlich. Das hängt mit der Berichtspflicht kapitalmarktorientierter Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern zusammen, denn diese schließt die gesamte Lieferkette ein – und damit eben auch KMU.

Wer Geschäftsbeziehungen unter den Vorgaben der CSR-Richtlinie für große Unternehmen also erhalten will, wird sich zwangsläufig selbst mit Nachhaltigkeitsaspekten im eigenen Betrieb befassen müssen. Daraus kann sich wiederum ein nicht unerheblicher Vorteil ergeben: Neue Auftraggeber lassen sich so sehr viel leichter überzeugen, wenn nachhaltige Werte bereits ein fester Bestandteil der Unternehmensstrategie sind.

Artikelbild: Martin Mummel/GRVTY

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Jessika Schweitzer

Jessika Schweitzer

Jessika Schweitzer ist Marketing-Expertin und hat sich als Beraterin auf den Bereich Corporate Social Responsibility spezialisiert. Sie unterstützt Unternehmen dabei, sinnvolle Zukunftsstrategien zu entwickeln und das Thema Nachhaltigkeit auf breiter Basis in die Firmenphilosophie einzubinden.

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