Vorsicht Falle! Wenn die Unternehmenskommunikation den Begriff „Markenbotschafter“ zu eng fasst …

Vorsicht Falle! Wenn die Unternehmenskommunikation den Begriff „Markenbotschafter“ zu eng fasst …

Wenn wir die Wahl zwischen einem Menschen und einer Maschine haben, für wen entscheiden wir uns?

Diese Frage kam mir erst letztens im Supermarkt in den Sinn, nachdem ich festgestellt hatte, dass ein Teil der „normalen“ Kassen gegen Self-Service-Kassen ausgetauscht worden ist. Während sich bei der ersten Gruppe eine ganze Menschentraube bildete, blieben die Kassenautomaten einsam. Also ging ich direkt auf sie zu …

Erster Artikel. Geht nicht.
Zweiter Artikel. Keine Chance!

Ich weiß, dass es nicht an mir liegt. Ich bin in meinem Leben schon oft selbst hinter der Kasse gesessen. Was blieb mir also übrig, als eine Mitarbeiterin zu rufen und um Hilfe zu bitten? Ihr Kommentar: „Die Dinger funktionieren nicht, und haben will sie von den Kunden auch niemand! Absolut unnötig. Und eigentlich passt das alles auch gar nicht zu uns.“

Hier zeigt sich wieder einmal: Menschen bevorzugen halt Menschen. Wir sind Herdentiere, brauchen den Zusammenhalt in der Gemeinschaft und vertrauen auf das, was uns die Masse sagt und wir gut kennen. Und wenn wir die Wahl zwischen einem Menschen und einer Maschine haben, werden wir uns in der Regel für den Menschen entscheiden.

Was aber hat mein Erlebnis im Supermarkt nun mit Unternehmenskommunikation und Markenbotschaftern zu tun …?

Alles.

Emotionen, Vertrauen und Glaubwürdigkeit

Der Begriff des Markenbotschafters zieht sich nun schon seit geraumer Zeit durch die Medien, als sei er etwas Neues. Wie so oft in unserer digitalisierten Welt. Das ist er aber nicht.  Denn Markenbotschafter gab es schon immer: Menschen, die Institutionen, Unternehmen und Marken ein Gesicht geben, damit sich Dialoggruppen mit ihnen identifizieren können. Darum geht es im Kern.

Warum?

Weil Menschen nun einmal Menschen vertrauen – und keinen Corporate-Einrichtungen, Logos und Slogans. Wie so oft geht es also auch hier um Emotionen, Vertrauen und Glaubwürdigkeit.

Die derzeitige Diskussion um Markenbotschafter dreht sich allerdings um einen ganz bestimmten Aspekt der Unternehmenskommunikation, nämlich der digitalen und hier schwerpunktmäßig der Social-Media-Kommunikation.

Einen wundervollen Überblick zum Status quo der  Diskussion hat erst vor Kurzem Dr. Kerstin Hoffmann auf ihrem Blog gegeben. In ihrem Beitrag erklärt sie u. a. die Unterschiede zwischen Influencern, Testimonials und Markenbotschaftern – ein wichtiger Punkt, da es an dieser Stelle oft zu Verwechslungen kommt. Brand Trust indes definiert Markenbotschafter etwas weiter: „Markenbotschafter können Mitarbeiter eines Unternehmens sein oder auch begeisterte Kunden einer Marke.“

Letzten Endes ist die Definition an sich jedoch fast Nebensache. Wichtig ist, wie diese Menschen zum Unternehmen kommen, in welchem Verhältnis sie zu ihm stehen und aus welchem Beweggrund sie für das Unternehmen auftreten. Denn das hat einen massiven Einfluss auf ihre Wirkung auf die Dialoggruppen.

Um dennoch sinnvoll weiterargumentieren zu können, schlage ich folgende Auslegung des Begriffes vor:

Markenbotschafter sind all diejenigen Menschen, die im Namen eines Unternehmens in der Öffentlichkeit mit Dialoggruppen in Interaktion treten und auf diese Weise zur Steigerung der Markenbekanntheit beitragen.

Welche Tragweite diese Definition nun für jeden Unternehmer oder jede Führungsperson hat, muss jeder für sich selbst nachvollziehen und hinterfragen. Ja, mit allen positiven und negativen Erkenntnissen. Denn eines ist klar: Markenbotschafter sind nicht auf den digitalen Raum beschränkt. Auf diesen wichtigen Punkt werde ich später noch einmal zurückkommen.

Was macht gute Markenbotschafter aus?

Braucht der Markenbotschafter eine Art internen Zertifikatslehrgang, um die richtige Markenbotschaft zu kommunizieren? Muss er online gut vernetzt sein und eine hohe, organische Reichweite aufweisen? Diesen Fragen nähert sich Stefan Epler von LEWIS Communication in diesem Beitrag, wo er sich dem Begriff der „Employee Advocacy“ widmet. Als besonders relevant nennt er erstens das Vertrauen – sowohl innerhalb des Unternehmens selbst auch zwischen Dialoggruppe und Markenbotschafter. Dazu kommt die Motivation des Mitarbeiters, der als Markenbotschafter auftritt. Ist dieser extrinsisch oder intrinsisch motiviert?

Aus meiner Perspektive braucht es aber noch mehr, um als authentischer Markenbotschafter von den Dialoggruppen erkannt zu werden:

  • Die Identifikation mit dem Warum des Unternehmens
  • Ein ausgeprägtes Zugehörigkeitsgefühl zum Unternehmen
  • Das Bewusstsein über den Wert des eigenen Beitrags
  • Das Leben der Unternehmensvision auch über den Job hinaus
  • Einen innerer (intrinsischen!) Antrieb
  • Hohe Authentizität

Den Begriff der intrinsischen Motivation verknüpfe ich stark mit dem Gamification-Ansatz, der im deutschsprachigen Raum vor allem von Roman Rackwitz propagiert wird. Im nachfolgenden Video verdeutlicht der Gamification-Experte die wichtigsten Charakterzüge glaubwürdiger Markenbotschafter und gibt damit einen kleinen Vorgeschmack auf seinen Gastbeitrag zum selben Thema. Der geneigte Leser wird den einen oder anderen Punkt sofort wiedererkennen.

Welche Botschaft vermittelt die eigene Marke eigentlich?

Genau an diesem Punkt bleibe ich bei meiner Arbeit gerne länger stehen, um einen der wohl wichtigsten Aspekte etwas näher zu beleuchten: Was ist denn die Botschaft, die hinausgetragen wird?

Ist es ein Tweet? Das Fazit eines Beitrags des bloggenden CEOs?

Oder kann die Botschaft auch das hektische Scannen der Barcodes eines Kassiererin sein, die ein Minimum an Scans pro Minute zu erfüllen hat?

Und wenn beides eine Botschaft sendet, welche hinterlässt beim Endkunden mehr Eindruck und Nachwirkung?

Angelehnt an Paul Watzlawick kann ich nur sagen, dass wir mit allem, was wir sagen und tun, eine – wenn auch nicht immer gewollte – Marken- bzw. Unternehmensbotschaft vermitteln. Als Kommunikationsverantwortliche und Führungskräfte wollen wir einer bestimmten Aussage ein besonderes Gewicht verleihen. Über die Relevanz der Botschaft entscheidet am Ende des Tages jedoch immer der Rezipient!

Das bedeutet aber nicht, dass wir als Unternehmen an dieser Stelle keine aktiven Maßnahmen setzen können. Noch bevor es darum geht, Markenbotschafter zu bestellen oder auszubilden, muss geklärt werden, welche Botschaft hinausgetragen werden soll und wie.

Im besten Fall ist es genau jene Botschaft, die als Kernbotschaft im übergeordneten Kommunikationskonzept des Unternehmens festgelegt wurde. Dieselbe Botschaft sollte sich auch im Leitbild eines jeden Unternehmens wiederfinden lassen.

Hier stellt sich nun die Frage, inwieweit die eigenen Mitarbeiter und Markenbotschafter über diese Kernbotschaft Bescheid wissen. Je größer das Unternehmen, desto höher liegt die Wahrscheinlichkeit, dass diese im Arbeitsalltag komplett verlorengeht. Aber genau das sollten Unternehmen heute vermeiden!

Die Bedeutung der zentralen Botschaft, die in allem mitschwingt, was das Unternehmen täglich sagt und tut, können wir kaum überbewerten. Wenn Kommunikationsverantwortliche nicht klar festlegen, wie diese Botschaft lautet und wie sich kommunizieren lässt, wird die Markenbotschaft ein Spielball der beteiligten Dialogpartner.

Markenbotschafter kommunizieren nicht ausschließlich online

Unsere ersten Assoziationen beim Begriff „Markenbotschafter“ liegen heute oft im Bereich des Digitalen. Meine Recherche zu aktuellen Beiträgen hat das eindeutig bestätigt. Ein derzeit oft zitiertes Beispiel, das hier ebenfalls nicht fehlen darf, ist das Corporate-Influencer-Programm von OTTO. So berichtet etwa Nick Marten im Interview mit Klaus Eck, wie sich die Mitarbeiter bei OTTO zu professionellen Markenbotschaftern ausbilden lassen können. Klare „Botschafter-Profile“ mit dazugehörenden Seminaren bilden Marten zufolge die Grundlagen der Ausbildung – fast schon ein „Zertifizierungsprogramm“, wie Klaus Eck richtig anmerkt.

Auf einem ebenso hohen Niveau und genauso digital geht es im Gastbeitrag von Dr. Kerstin Hoffmann für das UPLOAD Magazin zum selben Thema weiter. Zwanzig spannende Menschen aus unterschiedlichen Branchen erzählen dort über den Wert und die Art des digitalen Botschaftertums. Ohne Zweifel ein guter, richtiger und wichtiger Weg, den Menschen wieder in den Fokus der digitalen Unternehmenskommunikation zu rücken. Zur Lektüre empfohlen sei an dieser Stelle auch das Zielbar-Interview mit Dr. Kerstin Hoffmann aus dem Jahre 2016.

Ohne die Relevanz der digitalen Unternehmenskommunikation in der heutigen Zeit schmälern zu wollen (schließlich wissen wir spätestens seit diesem Beitrag meines Kollegen Benjamin Brückner über die enorme Marktmacht der Kunden), erscheint es mir angebracht, einen weiteren zentralen Aspekt hervorzuheben: Markenbotschafter gibt es in Unternehmensreihen weitaus mehr, als wir uns dessen oftmals bewusst sind. So lese und höre ich zwar immer wieder, dass alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Markenbotschafter sein sollten. Doch darin liegt ein tiefer Irrglaube begraben! Denn alle Mitarbeiter sind in der einen oder anderen Form Markenbotschafter – vom ersten Tag an.

Die Kassiererin aus meinem Supermarkt ums Eck ist Markenbotschafterin. Meiner Meinung nach sogar eine viel glaubwürdigere als gezielt „gepushte“ Gesichter aus den Führungsetagen. Welche Botschaft vermittelt mir diese Frau täglich, bewusst und unbewusst, über ihren Arbeitgeber?

Und auch der Mitarbeiter des Kundenservices der Verkehrsbetriebe ist das tägliche Sprachrohr seines Unternehmens, genauso wie der Servicemitarbeiter meines IT-Dienstleisters. Alle, die täglich im Kontakt zum Kunden stehen, sind (potenzielle) Markenbotschafter. Genauso gute, schlechte oder relevante wie die Abteilungsleiterin und der CEO auf Social Media oder im privaten Umfeld. Problematisch wird es allerdings immer dann, wenn die Botschaften, die diese (unbewussten) Markenbotschafter in die Welt hinaustragen, nicht mit den Kernbotschaften des Unternehmens übereinstimmen. Und das kommt häufiger vor, als einem lieb ist.

Bedenklich finde ich aus Perspektive der Unternehmenskommunikation daher den Trend, den einen bei weitem mehr Relevanz zuzuschreiben als den anderen! Denn rein rechnerisch erreichen „die kleinen Fische“ meist eine weit höhere Reichweite als die großen, zumal sie zahlenmäßig überwiegen. Insofern sollte man sich hier einfach mal die Frage stellen, wie viel direkten Kundenkontakt ein Servicemitarbeiter oder eine Kassiererin im Vergleich zu einer twitternden Abteilungsleiterin hat …

Markenbotschafter im Unternehmen gezielt fördern

Wäre ich verantwortlich für das Markenbotschaftertum eines Unternehmens, würde ich mich darauf fokussieren, dass sich alle Mitarbeiter über ihren Wert für das Bestehen und das Image des Unternehmens im Klaren sind. Ich würde zudem alles daran setzen, dass sie eine glaubwürdige und wertschätzende Botschaft über das Unternehmen in ihrem direkten – digitalen oder analogen – Umfeld verbreiten (können).

Was sollten Unternehmen also tun, um die Motivation und den Wert von Markenbotschaftern im Unternehmen zu erhöhen?

  • Die eigene Unternehmensvision und zentrale Kernbotschaft sollte auf allen Ebenen und von allen Mitarbeitern tatsächlich gelebt werden.
  • Es sollten eindeutige und praxisnahe Kommunikationsrichtlinien erstellt werden, die je nach Abteilung und Einsatz (z. B. online, offline) angepasst werden müssen.
  • Mitarbeitern aller Abteilungen sollte regelmäßig ihre Rolle und ihr Wert für den Unternehmenserfolg kommuniziert werden.
  • Es müssen Handlungsräume geschaffen werden, die es Mitarbeitern ermöglichen, aktiv als Markenbotschafter aufzutreten (z. B. per Corporate Blog).
  • Regelmäßige Feedback- und Dialogmöglichkeiten von Mitarbeitern zur Unternehmenskommunikation müssen aufrechterhalten und gefördert werden.
  • Schulungen und Weiterbildungen im Bereich der Unternehmens- und Markenkommunikation sollten über den Rahmen des Online-Bereiches hinaus allen Mitarbeitern angeboten werden, selbst wenn das Ziel dieser Maßnahmen „nur“ die Bewusstseinsbildung ist.

Diese Aufzählung ist keinesfalls vollständig und eine detaillierte Beschreibung würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Ich würde mir dennoch wünschen, dass der eine oder andere Punkt zum Nachdenken anregt und Kommunikationsverantwortliche motiviert, notwendige Schritte einzuleiten.

Ja, Social Media ist wichtig. Wenn es um Vertrauen und Bindung geht – und genau darauf zielen Markenbotschafter ab –, dürfen wir aber jene nicht außer Acht lassen, die uns in unserem Alltag auch auf analoger Seite nahe sind. Wir pflegen unsere Gewohnheiten und lieben bekannte Gesichter. Die Kassiererin meines Supermarktes ist beides: Gewohnheit und bekanntes Gesicht. Für mich ist sie die Markenbotschafterin schlechthin. Auch wenn sie sich ihrer Rolle vielleicht überhaupt nicht bewusst ist – und ihre Vorgesetzten möglicherweise ebenso wenig.

Artikelbild: Martin Mummel/GRVTY

Vorsicht Falle! Wenn die Unternehmenskommunikation den Begriff „Markenbotschafter“ zu eng fasst …
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Ivana Walden

Ivana Walden

Ivana Walden beschäftigt sich mit der Frage, wie Kommunikation auf den Unternehmenserfolg wirkt und wie Unternehmen und Selbstständige diese Wirkung effizient und effektiv für sich nutzen können. Sie verhilft Unternehmen zu schlanken Kommunikationsstrategien und klaren Leitlinien. "So bleibt mehr Zeit für das wirklich Wichtige: die Menschen."

Eine Reaktion zu “Vorsicht Falle! Wenn die Unternehmenskommunikation den Begriff „Markenbotschafter“ zu eng fasst …”

  1. Anne M. Schüller

    Ich freue mich sehr, dass das Thema jetzt endlich das breite öffentliche Interesse erfährt, das ihm zusteht. Wie so oft, und wie ja auch im Beitrag erwähnt, handelt es sich dabei um altehrwürdiges Wissen, das in schickem denglisch und digital unterstützt neu verpackt daherkommt. Aber egal. Hauptsache, es rockt. In „Das Touchpoint Unternehmen“ aus 2014 habe ich übrigens dazu ein sehr ausführliches Kapitel mit dem Titel „Die Mitarbeiter als Botschafter“ geschrieben.

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