Wie dem Kunden sagen, dass seine Unternehmenskommunikation scheiße ist – ohne ihn zu verlieren?

Wie dem Kunden sagen, dass seine Corporate Communication scheiße ist – ohne ihn zu verlieren?

„Und, was halten Sie von unseren Kanälen?“ – Diese Frage kennen Berater und Dienstleister zur Genüge. Sie wird fast immer von neuen oder potenziellen Kunden gestellt. Und sie ist manchmal gar nicht so unschuldig, wie sie klingt. Denn wenn die Kommunikation des Kunden, mit Verlaub, Mist ist und die Kanäle eher abschreckende als anziehende Wirkung haben, wird die Antwort schnell zum Lackmustest.

Berater und Dienstleister sind dann in der Zwickmühle:

  1. Sagen sie dem Kunden die Wahrheit über seine Kommunikation und riskieren, ihn zu vergraulen?
  2. Oder reden sie es schön und lassen ihren Kunden ins offene Messer der rufschädigenden und dilettantischen Kommunikation laufen?

Verantwortungsvolle Berater und Dienstleister haben hier keine Wahl, sie müssen und wollen ihren Kunden vor sich selbst schützen und sagen ihm die Wahrheit über seine Kommunikation.

Das muss jedoch nicht zwangsläufig das Ende der Kundenbeziehung sein. Wer Kritik an der Kommunikation des Kunden seinerseits richtig kommuniziert, kann damit sogar den Grundstein für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit legen. In diesem Beitrag gebe ich daher einige Tipps, wie ein konstruktives Kritikgespräch vom Dienstleister vorbereitet und in der Praxis umgesetzt werden kann – und sollte.

Empathie als Voraussetzung für konstruktive Kritik

Vor der Kritik an der Kommunikation des Kunden sollte natürlich die Frage stehen, ob die Kommunikation wirklich schlecht ist oder sie vielleicht nur nicht dem eigenen Geschmack oder den individuellen Vorlieben entspricht.

Wenn die Antwort schwerfällt, lohnt es sich, externes Feedback einzuholen. Bevor Kritik geübt wird, ist es entscheidend, das eigene Ego aus der Gleichung herauszunehmen und so objektiv wie möglich zu beurteilen. Fällt die Bewertung dann immer noch negativ aus, muss die Kritik an den Kunden kommuniziert werden.

In der Vorbereitung denke ich bei solchen Situationen an eines meiner Lieblingszitate, das Kurt Tucholsky zugeschrieben wird:

Wer auf anderen Menschen wirken will, der muss erst einmal in ihrer Sprache mit ihnen sprechen.

In Vorbereitung des Kritikgesprächs folgen daraus für mich fünf Grundsätze:

  1. Der Kunde kommuniziert in der Regel nach bestem Wissen und Gewissen und gibt sich vermutlich wirklich Mühe. Ausnahmen bestätigen nur die Regel. Das muss die Grundannahme der Kritik sein.
  2. In vielen Fällen glaubt der Kunde, dass seine Kommunikation gut ist und ist vielleicht sogar stolz auf das Geleistete. Das bedeutet, dass jede Kritik potenziell persönlich verstanden und falsch aufgenommen werden kann. Fingerspitzengefühl ist also angesagt.
  3. Niemand lässt sich gerne belehren, und wer das Gefühl hat, dass sein Gesprächspartner von oben herab mit ihm spricht, wird eher Widerstand leisten als zuhören. Wenn Kritik kommuniziert wird, sollte diese daher einfühlsam vorgetragen werden. Im Idealfall kommt der Kunden selbst darauf, dass seine Kommunikation Luft nach oben hat.
  4. Es gibt immer Gründe für die Qualität der Kommunikation. Manchmal fehlt es schlicht an Wissen und Kompetenz, manchmal fehlt es an Zeit und Ressourcen. Hin und wieder sind sich die Kommunikationsmitarbeiter des Kunden schmerzhaft der Fehler und Probleme ihrer Kommunikation bewusst, können jedoch nichts daran ändern und arbeiten bereits am Limit. Externe Kritik kann da schnell wie Salz in der Wunde wirken.
  5. Berater und Dienstleister können die Kommunikation mit einem gewissen Abstand beurteilen. Der Kunde selbst ist jedoch viel näher dran, manchmal auch emotional mit der Kommunikation – und häufig mit seinem Unternehmen – verbunden. Diese Nähe erschwert den selbstkritischen Blick und macht externe Kritik zu einem sensiblen Thema.

Aus Erfahrung kann ich diese fünf Grundsätze auf einen Satz verdichten: Auf Kundenseite arbeiten Menschen, die sich mit der Kommunikation viel Mühe geben und die ich nicht vor den Kopf stoßen will.

Auf welcher Ebene wird kritisiert?


Quelle: alpha Lernen/Bayerischer Rundfunk

Das im Video beschriebene Vier-Ohren-Modell nach Friedemann Schulz von Thun ist den meisten Kommunikatoren ein Begriff. In der Praxis erlebe ich jedoch viel zu oft, dass seine Bedeutung unterschätzt wird

Gerade wenn Kunden und ihre Kommunikation kritisiert werden müssen, eben weil man den Kunden vor sich selbst schützen will, sind die vier Ebenen einer Nachricht essenzielles Handwerkszeug:

  • Der Sachinhalt ist meist das kleinste Problem. Berater können oft sehr klar benennen, welche Teile der Kommunikation schlecht sind und was dagegen getan werden muss.
  • Der Appell ist da schon etwas kniffliger. Sicher lautet er schlussendlich, dass sich die Kommunikation verändern muss. Doch das kann als höflich oder unhöflich, als partnerschaftliche Empfehlung oder rüde Vorgabe verstanden werden.
  • Der Beziehungsaspekt ist, zumindest aus Sicht von Beratern und Dienstleistern, eine der wichtigsten Ebenen. Das Ziel ist es, eine vertrauensvolle und respektvolle Beziehung zu kommunizieren.
  • Die Selbstkundgabe ist der vielleicht schwierigste Teil. Berater und Dienstleister neigen dazu, sich selbst als Experten darzustellen. Eine solche Selbstaussage macht den Kunden jedoch potenziell klein und zum untergeordneten Teil in der Beziehung.

Auch wenn das Vier-Ohren-Modell nach Grundlagenwissen und banal klingt, lohnt es sich, es vor Kritikgesprächen auf die eigenen Argumente und Aussagen anzuwenden und kritisch zu prüfen, welche Botschaften auf welcher Ebene gesendet werden oder ankommen könnten.

Optimal ist es, wenn mehrere Mitarbeiter oder Kollegen die geplanten Argumente und die Kritik hören und bewusst auf verschiedenen Ebenen lauschen. Dann können gänzlich ungewollte Botschaften und Wirkungen antizipiert und präventiv verändert werden.

Kritik als Fundament einer guten Kundenbeziehung

Wenn Kritik an der Kommunikation des Kunden unumgänglich ist, sollte man sich die Worte meines Zielbar-Kollegen Marc Ostermann aus seinem Artikel zur Kundenansprache vergegenwärtigen:

Kundenzentrierung statt Selbstbeweihräucherung lautet hier das Motto. Wer wirksam kommunizieren möchte, braucht Anschlussfähigkeit und Relevanz.

Die Kritik sollte daher in der Sprache des Kunden und immer mit einer leicht verständlichen Erklärung erfolgen. Es ist ein Unterschied, ob die Kritik lautet: „Ihre Blogartikel sind nichtssagend. Die will keiner lesen.“ Oder ob die Kritik lautet: „Ihre Blogartikel stellen eine gute Grundlage dar, es fehlt oft jedoch die inhaltliche Tiefe. Ihre Kunden erwarten vermutlich mehr Praxistipps und mehr Informationen. Wenn Sie dies ergänzen und Artikel ausbauen, steigt der Nutzen, und Ihre Kunden werden sie eher lesen und empfehlen.“

Bei der zweiten Formulierung ist die eigentliche Kritik der kleinste Teil. Viel mehr Raum nehmen die Erklärung und die Empfehlung zur Verbesserung der Kommunikation ein. Bei solchen Aussagen, empathisch auf die Situation des Kunden abgestimmt, bleibt dann auch die konstruktive Information und Wirkung hängen.

Allerdings gibt es auch Fälle, in denen die fachliche Kritik an der Kommunikation nicht das eigentliche Problem ist. Die geschätzte Kollegin Anne M. Schüller beschreibt das in ihrem Artikel zu den Rahmenbedingungen für Kundenloyalität treffend:

Oft genug ist nicht das Können oder Wollen, sondern das Dürfen der wahre Knackpunkt. Denn ohne die Freiheit des Dürfens ersticken Wollen und Können im Keim. Doch eingezwängt in ein Vorschriftenkorsett dürfen selbst hochengagierte Mitarbeiter in vielen Unternehmen die Probleme ihrer Kunden nicht einmal dann unkompliziert lösen, wenn sie es wollten.

Wenn diese Situation vorliegt – und ob das tatsächlich der Fall ist, muss im Vorfeld durch Empathie und Recherche geklärt werden –, so ist die Kritik an der Kommunikation gleichzeitig eine Kritik an der Unternehmensführung und an den von ihr geschaffenen Rahmenbedingungen. In diesem Fall ist es sinnvoll, nicht mit der Qualität der Kommunikation an sich einzusteigen, sondern zunächst gemeinsam die Differenzen zwischen gewünschter und tatsächlicher Wirkung zu reflektieren. Wenn Unternehmen sich beispielsweise eine Erhöhung der Kundenanfragen durch die Kommunikation erwarten, diese aber ausbleibt, ist das der Aufhänger.

Der Einstieg kann dann beispielsweise aus der Frage bestehen: „Erfüllt Ihre Kommunikation Ihre Erwartungen?“ Die Antwort wird, wie zu erwarten, negativ ausfallen. Dann können Berater und Dienstleister im Gespräch aufzeigen, welche Maßnahmen und Schritte zu den gewünschten Ergebnissen führen könnten, und wie die aktuelle Kommunikation dorthin weiterentwickelt werden kann.

Das Ziel ist es also, bei der Unternehmensführung das Verständnis dafür zu wecken, dass die aktuellen Rahmenbedingungen und Ressourcen nicht zu ihren Wünschen und Erwartungen passen. Wenn Führungskräfte im Verlauf einer Diskussion scheinbar von selbst zu dieser Erkenntnis gelangen, ist Veränderung meist sehr viel einfacher, als wenn Berater diese Konfrontation vorgeben.

TIPP: Wie man richtig mit (geäußerter) Kritik umgeht, hat Zielbar-Redakteur Benjamin Brückner bereits in seinem hilfreichen Beitrag „Die Spreu vom Weizen trennen – über den differenzierten Umgang mit Kritik“ beschrieben.

Fünf Fragen für die Kritik an der Kommunikation des Kunden

Alle genannten Aspekte und Faktoren lassen sich durch die Beantwortung von fünf Fragen, vor der Kritik an der Kommunikation des Kunden zusammenfassen und überprüfen:

  1. Ist die Kommunikation des Kunden objektiv schlecht?
  2. Woran lässt sich die mangelnde Qualität festmachen und aufzeigen?
  3. Was sind die internen Gründe für die mangelnde Qualität der Kommunikation?
  4. Wie lässt sich die Kommunikation gezielt verbessern?
  5. Welche Rahmenbedingungen müssen für die Verbesserung geschaffen werden?

Wenn diese fünf Fragen ernsthaft und umfassend abgearbeitet und beantwortet werden, ist die Grundlage für ein gutes und produktives Kritikgespräch gelegt.

Für mich ist allerdings noch ein weiterer Aspekt wichtig: Die Intention muss positiv und konstruktiv sein, der Nutzen des Kunden steht im Fokus.

Ich bin davon überzeugt, dass Menschen die Intention ihres Gegenübers in Gesprächen intuitiv spüren und erkennen. Wenn Berater und Dienstleister nur deshalb Kritik üben, weil sie sich unbedingt einen Auftrag sichern wollen, werden alle Versuche, das konstruktiv zu tun, fehlschlagen.

Wenn die Intention jedoch ist, dem Kunden wirklich zu helfen und dabei Geld zu verdienen, sieht die Lage völlig anders aus. Niemand nimmt Dienstleistern übel, dass sie Geld verdienen wollen. Doch jeder Kunde nimmt es einem Berater übel, wenn er den Eindruck gewinnt, dass der Berater nur auf den eigenen Vorteil aus ist und den Kunden als Cashcow ansieht.

Natürlich gibt es Ausnahmen von der Regel und Kunden, die sich auch mit bester Intention vorgetragener konstruktiver Kritik verschließen. Die fallen jedoch eher in die Kategorie „Kunden des Todes“, wie sie Marc Ostermann beschreibt.

Artikelbild: Martin Mummel/GRVTY

Wie dem Kunden sagen, dass seine Corporate Communication scheiße ist – ohne ihn zu verlieren?
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Christian Müller

Christian Müller

Christian Müller unterstützt soziale Einrichtungen, Bildungsträger und KMU bei der Nutzung digitaler Kommunikationskanäle. Eine seiner Leidenschaften ist die Videoproduktion und der Einsatz von Livestreaming-Apps. Beides vermittelt er mit Sozial-PR auch in Trainings und Coachings.

2 Reaktionen zu “Wie dem Kunden sagen, dass seine Corporate Communication scheiße ist – ohne ihn zu verlieren?”

  1. Anna

    Lieber Christian,
    danke, danke, danke! Man erkennt hier ganz schnell deine langjährige Erfahrung. Was ist es denn, was wir Berater wollen? Wenn wir wirklich dafür stehen wollen, was unsere Jobbezeichnung impliziert, dann ist Empathie unumgänglich. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Verständnis noch am besten funktioniert. Hört man sich erst einmal die Sorgen und Nöte an, dann erkennt man schnell das eigentliche Kommunikationsproblem: Unwissen, Zeitmangel oder Einschränkungen, oft alles zusammen. Wie du auch geschrieben hast. Sich darüber aufzuregen können wir unter uns natürlich machen, aber den Auftrag und somit die Möglichkeit zu helfen geht nur über Verständnis und indem man motiviert und Kritik positiv, jedoch auf den Punkt formuliert.
    Nochmals danke! ?
    Liebe Grüße

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  2. Dirk

    Hallo Christian,
    als ich deinen Beitrag gelesen habe, fiel mir ein Buch ein, was ich vor Jahren schon gelesen habe: Stefan Merath, Die Kunst seine Kunden zu lieben.
    Darin wird das Thema ob der Kunde sein eigentliche Problem erkennt und er auch offen für eine Lösung ist, ausführlich besprochen. Im Kern geht es darum, erst einmal das „gefühlte“ Problem des Kunden anzuerkennen und ihm dann die Lösungsstrategie für sein „tatsächliche“ Problem zu geben. So fühlt er sich angenommen und du kannst sein Problem lösen, ohne dass es zur Abwehrhaltung des Kunden kommt.

    Konkret: der Kunde glaubt, die Anzahl seiner Blog-Beiträge ist das Problem. Dabei ist es in Wirklichkeit die Qualität seiner Beiträge. Wenn man ihm jetzt direkt mit der richtigen Lösungsstrategie kommt, nämlich der Qualitäts-Anpassung, wird er verweigern. Erkennt man aber seine Problem-Sichtweise erst einmal an, nämlich Anzahl der Beiträge, kann man mit dem Auftrag beginnen und sein tatsächliches Problem lösen.
    Viele Grüße,
    Dirk

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