Customer Journey im B2B: Lead-Generierung als Dreh- und Angelpunkt

Customer Journey im B2B: Lead-Generierung als Dreh- und Angelpunkt

Effizienter Content fußt auf zwei Säulen – Mehrwert für den User und Erreichung zuvor definierter Ziele für den Ersteller des Inhalts. Dies sollte bei der Content-Planung und -Erstellung höchste Priorität genießen. Neben der Definition von Buyer Personas – idealisierten, repräsentativen Kundenprofilen – spielt das Wissen über die optimale Verknüpfung von Customer Journey und Content-Formaten hierbei eine entscheidende Rolle: Wer benötigt welchen Inhalt zu welchem Zeitpunkt, damit die gewünschten Ziele erreicht werden?

Zielbar-Redakteur Marc Ostermann geht in seinem Überblicksartikel zur Customer Journey ausführlich auf diese Thematik ein. Den B2B-Bereich, mit dem ich mich bei meiner Arbeit als Online-Redakteur einer darauf spezialisierten Agentur täglich beschäftigte, streift er dabei mitunter. Eine ausführliche Betrachtung kann man in diesem Rahmen freilich nicht verlangen.

Mein Beitrag versteht sich daher ausdrücklich als Ergänzung. Dabei liegt der Fokus also dezidiert auf der B2B Customer Journey. Hier verhalten sich die Dinge, trotz vieler Überschneidungen mit B2C, oft ein wenig anders. Dies ist vor allem der Erklärungsbedürftigkeit der Produkte, der zentralen Rolle des Vertriebs und vor allem der Länge des Kaufentscheidungsprozesses (bis zu 18 Monate) geschuldet. Ich beschränke mich mit Inbound Content auf eine einzelne Kategorie innerhalb der B2B Customer Journey.

Aufgrund der Bedeutung von Inbound Content für alle weiteren Schritte denke ich aber, dass die Customer Journey im B2B dadurch für Neulinge greifbarer wird. Und darum soll es, in Anlehnung an Doris Eichmeiers Auflistung relevanter Punkte in der Content-Diskussion auch gehen –  nämlich um ein kleines Kapitel „Content-Handwerk“.

Das FINE-Modell: Inbound Content im Kontext  

Zunächst ist es notwendig, kurz auf das sogenannte FINE-Modell einzugehen, um das große Ganze im Blick zu haben. Es ist seit 2015 im Einsatz und stellt eine Adaption von Mirko Langes FISH-Modell (Follow, Inbound, Search, Hero) dar. Das FINE-Modell übernimmt hiervon die Kategorien „Follow Content“ und „Inbound Content“ und modifiziert die letzten beiden Kategorien, um den oben genannten Besonderheiten der B2B Customer Journey gerecht zu werden. Hier nimmt Lead Management eine Schlüsselrolle ein (dazu gleich mehr).

Die vier Kategorien des FINE-Modells sind damit:

1. Follow

  • Ziel des Unternehmens: Aufbau organischer Reichweite ► Sichtbarkeit erzeugen.
  • Mehrwert/Kundennutzen: Informationen, Dialog.
  • Kanäle (Auszug): Social Media, Blogs.
  • KPIs (Auszug): Evolution der Reichweite, Social Signals (Likes, Shares, Kommentare), Engagement.

2. Inbound

  • Ziel des Unternehmens: Fragen beantworten und einen Lösungsansatz bieten ► Lead-Generierung.
  • Mehrwert/Kundennutzen: Wissenstransfer, Begeisterung, Bindung.
  • Kanäle (Auszug): Owned Media, Search (SEO/SEA), Paid Media.
  • KPIs (Auszug): Anzahl der generierten Leads, Conversion Rate, Cost per Lead.

3. Nurturing

  • Ziel des Unternehmens: An die Hand nehmen, 1:1-Dialoge führen und nach und nach zur Lösung führen ► Lead-Qualifizierung.
  • Mehrwert/Kundennutzen: Relevanz, Vertrauen.
  • Kanäle (Auszug): Marketing Automation, E-Mail Marketing.
  • KPIs (Auszug): Lead Score, Lead Status Conversion Rates, Dauer des Kaufzyklusses.

4. Enabling

  • Ziel des Unternehmens: Potenzielle Kunden/Bestandskunden werden befähigt und aktiviert ► Kaufvorbereitung/Abschluss.
  • Mehrwert/Kundennutzen: Produktfakten, Zeitersparnis, Arbeitserleichterung.
  • Kanäle (Auszug): Unternehmenswebsite, Microsites, Apps.
  • KPIs (Auszug): Interaktionsrate, Conversions/Anfragen, Nutzungsintensität.

Während Follow Content also der Sichtbarkeit dient und dementsprechend auch verspielter sein kann, geht es bei Inbound Content ans Eingemachte: Er muss die Bedürfnisse des Wunschkunden exakt bedienen. Ziel ist es, diesen dazu zu bewegen, seine Kontaktdaten im Tausch gegen einen Download zu hinterlassen. Dadurch wird er zum „Lead„. Erst dann kann das Lead Management greifen, das den Lead – auf der Basis seines Profils und seiner Aktivitäten – bewertet (Lead Scoring). Anschließend wird er automatisiert per E-Mail mit den passenden Inhalten versorgt (Marketing Automation).

Diese Weiterentwicklung wird als Lead Nurturing bezeichnet. Vorläufiges Ziel ist die Qualifizierung des Leads und anschließende Übergabe an den Vertrieb, der ihn dann kontaktiert. Lead Management endet allerdings nicht beim Kauf (Stichworte: Upselling, Cross-Selling und After-Selling). Doch zurück zum Anfang des Modells: Ohne effizienten Inbound Content kein Lead! Daher lohnt es sich, dieser Kategorie besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

Hintergrund: FISH- und FINE-Modell basieren letztlich auf dem 3H-Modell von YouTube (PDF). Hier lauten die Kategorien Hygiene Content, Hub Content und Hero Content. Mark Schaefer, hierzulande vor allem durch seinen Begriff „Content Shock“ bekannt, hat dieses Modell 2014 auf Content im Allgemeinen übertragen. In seinem Fachbuch „The Content Code“ (2015) geht Schaefer näher darauf ein. Für eine Berücksichtigung der gesamten Customer Journey im B2B greift 3H allerdings zu kurz.

Die Funktion von Inbound Content in der B2B Customer Journey

Enabling Content und Inbound Content sind auf der Skala des FINE-Modells so weit wie möglich voneinander entfernt. Während ein Webinar, das ganz konkret die Features eines Produkts präsentiert, der Enabling-Kategorie zuzuordnen ist, handelt es sich bei einem Whitepaper, einer Checkliste oder einem Anwenderbericht um „klassischen“ Inbound Content:

  • Whitepaper: In einem Whitepaper wird ein eingegrenztes Thema aus der jeweiligen Branche abgehandelt. Oberstes Ziel ist die Wissensvermittlung, die den Autor bzw. das Unternehmen zugleich als Experte positioniert.
  • Checkliste: Mit einer praxistauglichen Checkliste wird der Persona gerade bei den oft komplexen Aufgabenstellungen im B2B eine direkte Arbeitserleichterung geboten. Wichtige Prozessschritte können so buchstäblich abgehakt werden.
  • Anwenderbericht: Ein objektiv gehaltener Bericht über ein exemplarisches Kundenprojekt zeigt die Kompetenz eines Unternehmens bei der Problemlösung – allerdings aus Sicht des Kunden und somit auf unaufdringliche Weise.

Hier geht es um Lösungen für die Probleme, die die Persona umtreiben. Gerade für Industrieunternehmen mit erklärungsbedürftigen Produkten bietet es sich an, das eigene Know-how auf diese Weise zur Verfügung zu stellen. Man kann es ruhig so drastisch formulieren: Mit der formalen Qualität und inhaltlichen Tiefe von Inbound Content steht und fällt der Erfolg aller nachfolgenden Schritte.

Mit Educational Content Vertrauen gewinnen

Educational Content ist Inbound Content par excellence. Was zunächst wie Buzzword-Bingo klingt, trifft den Kern, wie ich finde: Diese Content-Kategorie ist perfekt dazu geeignet, um von der Persona via Google-Suche gefunden zu werden (Pull statt Push), einen Wissenstransfer zu leisten (Mehrwert für den User) und Leads zu generieren (Ziel des Unternehmens). Auch wenn es verführerisch sein mag: Produktwerbung hat hier nichts verloren, sie kommt einfach drei Phasen zu früh.

Jedenfalls ist der Zusatz „Educational“ sehr nützlich, da er die Priorität des Wissenstransfers hervorhebt. Der Inhalt muss natürlich das erfüllen, was dem User zuvor versprochen wurde, sonst droht die B2B Customer Journey bereits hier zu enden. Im Idealfall betrachtet er den Deal „Kontaktdaten gegen Content“ als hilfreich, um für die Herausforderungen seines Berufsalltags noch besser gewappnet zu sein.

Also sollte der anvisierten Persona eine konkrete Hilfestellung geboten werden, die sie unmittelbar nutzen kann – ohne zuvor eine kostenintensive Lösung erwerben zu müssen. So wird das Unternehmen als branchenkundiger Ansprechpartner wahrgenommen und verankert sich in den Köpfen. Wem dies mit passgenauem Content bei den Mitarbeitern gelingt, die für die oft langwierigen Kaufentscheidungsprozessen im B2B maßgeblich sind, verschafft sich enorme Vorteile.

TIPP: Obwohl typische werbliche Botschaften in Inbound Content fehl am Platz sind, heißt das nicht, dass man komplett auf Hinweise auf eigene Produkte verzichten muss: Gegen dezent platzierte, exemplarische Abbildungen oder eine Produktseite am Ende des Contents ist nichts einzuwenden. Zudem lässt sich Inbound Content auch gut durch Werbemaßnahmen (etwa Banner oder Native Ads) pushen.

Fazit und Ausblick

Produkte und Lösungen im B2B-Bereich sind sehr häufig erklärungsbedürftig. Daher bieten sich hier organische Ansätze für Inbound und insbesondere Educational Content an. Eine hohe fachliche Qualität und der Verzicht auf werbende Aussagen sind essenziell. Aufgrund der langen Kaufentscheidungsprozesse sind die Ziele des Inbound Contents vormerklich der Aufbau von Vertrauen und der Beweis von Expertise, den die Kunden dann zu einem späteren Zeitpunkt bei der Kaufentscheidung berücksichtigen.

Gleichzeitig bietet die so erfolgte Lead-Generierung den Startschuss für das Lead Management. Anhand des individuellen Profils des Leads kann dieser durch weitere Inhalte weiterentwickelt und schließlich an den Vertrieb übergeben werden. Dies alles ist jedoch nur bei entsprechender Bindung durch qualitativ hochwertigen Content gegeben, der zudem auf die jeweilige Phase in der B2B Customer Journey zugeschnitten sein muss.

Artikelbild: Martin Mummel/GRVTY

Customer Journey im B2B: Lead-Generierung als Dreh- und Angelpunkt
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Jonas Reinartz

Jonas Reinartz

Jonas Reinartz ist seit 2015 Online-Redakteur bei PARK 7 – Büro für digitale Wertschöpfung in Köln. Der studierte Germanist und begeisterte Konferenzgänger liest für sein Leben gern. Er interessiert sich vor allem für die Funktionsweise und Wirkung von (Web-)Inhalten.

2 Reaktionen zu “Customer Journey im B2B: Lead-Generierung als Dreh- und Angelpunkt”

  1. Anne M. Schüller

    Bin der gleichen Meinung: Die Journeys in B2C und B2B sind nahezu komplett verschieden. Im B2B sollten zudem Journeys für Erstkunden und solche für Bestandskunden entwickelt werden, weil es auch hierbei ziemlich große Unterschiede gibt. Den Entscheidungsprozess, den neue Kunden bis zu ihrem ersten Kauf durchlaufen, nenne ich Buyer-Journey (BJ). Alle dann folgenden Kaufprozesse sind Bestandskunden-Buyer-Journeys (BBJ). In „Marketing-Automation für Bestandskunden“ wird u. a. genau erklärt, wie das Nurturing in den dazugehörigen Phasen funktioniert.

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  2. Jonas Reinartz
    Jonas Reinartz

    Sehr geehrte Frau Schüller,

    vielen Dank für Ihren wertvollen Kommentar! Ja, da kann ich Ihnen nur zustimmen! Je genauer die Differenzierung, desto besser, gerade im B2B.

    Beste Grüße aus Köln

    Jonas Reinartz

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